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Wer den Klick nicht ehrt, ist des Frankens nicht wert

Das Web ist Information und Unterhaltung – und ganz viel Werbung. Sie lockt Kunden auf Webseiten und verleitet zum Onlinekauf. Die neue Leitwährung heisst nicht länger Dollar, sondern Klick.

Das World Wide Web besteht aktuellen Berechnungen zufolge aus über 47 Milliarden Webseiten, Seiten mit Familienfotos etwa oder Firmenporträts. Stellen wir uns eine Beispielseite vor, die Onlinegames anbietet. Diese kleinen Spielchen für zwischendurch, casual games genannt, zählen zu den beliebtesten Angeboten überhaupt: Sie werden besonders gern in Büros gespielt, wenn der Chef gerade nicht hinsieht. Games sind eine geradezu ideale Werbefläche: Darüber oder daneben befinden sich Online­reklamen, die den Spieler zum Klicken auffordern. An diese ads haben wir uns schon so sehr gewöhnt, dass wir sie kaum mehr wahrnehmen; Fachleute sprechen vom Phänomen der ad blindness.

Und doch kann diese Werbeblindheit nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hinter den bunten Bildchen ein Milliardengeschäft verbirgt. Dessen Leitwährung ist die Interaktion, genauer: der einzelne Klick, der den User zum Angebot des Werbers weiterleitet. Dieser eine Klick hat einen bezifferbaren Wert, dessen genaue Höhe sich nach der augenblicklichen Nachfrage richtet. Auf unserer Spieleseite sind das, für einen einzelnen Mausklick, durchschnittlich 25 amerikanische Cents. Dabei geht es global um Unsummen: Der Internetkonzern Google, der den grössten Teil seiner Einnahmen mit Onlinewerbung bestreitet, hat 2015 über 16 Milliarden Dollar Gewinn erwirtschaftet, bei einem Gesamtumsatz von 75 Milliarden Dollar. Tendenz weiterhin steigend.

Je mehr Besucher, desto grösser der Umsatz – was für den Tante-Emma-Laden an der Dorfstrasse gilt, das gilt auch für die Spieleseite im World Wide Web. Die neuen Währungen sind daher nicht mehr Dollar, Euro oder Franken, sondern vielmehr Messgrössen, die darüber Auskunft geben, was sich auf unserer Spieleseite genau abspielt. Das Messgerät ist dabei der Webserver, auf dem unsere Seite gespeichert ist, und seine Serverlogs führen genau Buch. Zum Beispiel über die Anzahl der Seitenaufrufe (page impressions), die Anzahl der Besuche (unique visits) und die Anzahl der einzelnen Nutzer (unique clients oder unique users).

Dieser sogenannte traffic lässt sich mittels Werbeeinblendungen monetarisieren. Sogenannte ad broker wie Google bieten eine kinderleichte Einbettung der von ihnen vermittelten Reklamen in die eigene Seite sowie eine jederzeit aktuelle Übersicht über Seitenaufrufe, Klicks, den gerade geltenden, nachfragebasierten Klickwert und den Ertrag. Solche Werte, die auf Englisch click-through rate (CTR, Klickrate in Prozent) oder cost per click (CPC, Preis pro Klick) heissen, sind die neuen Währungen im Netz.

«Denk immer daran, dass Zeit Geld ist», schrieb der Verleger und Staatsmann Benjamin Franklin 1748 in seinen Ratschlägen für einen jungen Geschäftsmann (von einem alten). Blickte der Gründervater der Vereinigten Staaten auf die Wirtschaft von heute, dann wüsste er: Nicht Zeit, sondern Klick ist Geld.