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Geld per SMS: Kenias grosser Coup

Geld erlaubt das Tauschen, das Aufbewahren und das Messen von Wert. Doch da ist noch etwas: Geld will auch verschickt werden. Rund um den Globus, per SMS, mit dem Dienst «M-Pesa».

2002 machten britische Wissenschaftler eine seltsame Beobachtung. Im Rahmen eines Telekom-Forschungsprojekts stellten sie fest, dass Menschen in Uganda, Botswana und Ghana damit begonnen hatten, in grossem Stil mit Handy-Gesprächsguthaben zu handeln. Den Forschern war klar, dass dieses Phänomen nicht einer grassierenden Schwatzhaftigkeit geschuldet war, sondern dass Mobile-Guthaben auf einem Kontinent, wo es kaum Festnetz, geschweige denn Internet gab, den einzigen Zugang zu Kommunikation, Information und Wissen darstellten. Die Guthaben waren entsprechend begehrt und wurden, als eine Art Ersatzwährung, rege eingetauscht oder ganz einfach weiterverkauft.

Die Forscher traten mit MCel in Kontakt, der Handynetzbetreiberin von Moçambique, und schon zwei Jahre später bot MCel einen Dienst an, mit dem sich Gesprächsguthaben bequem an Dritte übertragen liessen. Das erregte die Aufmerksamkeit internationaler Entwicklungsorganisationen und in deren Gefolge auch der Mobilfunker von Vodafone, die schon länger nach Möglichkeiten gesucht hatten, das Handygeschäft mit dem des Zahlungsverkehrs zu verbinden. Den Durchbruch schaffte schliesslich ein Student der kenianischen Moi-Universität, dessen neuartige Software es erlaubte, mit dem Handy Geldbeträge von Bankkonten abzuheben und zu verschicken. Im März 2007 führte Safaricom, Kenias grösster Mobilfunkprovider, den neuen Geldtransferdienst ein und taufte ihn auf den Namen «M-Pesa» (von M wie mobile und pesa, Suaheli für ‹Bargeld›).

2 Milliarden Menschen weltweit verfügen über kein eigenes Bankkonto. In einer der 300 000 M-Pesa-Agenturen – einfache Kioske, kleine Händler – können sie heute Geld einzahlen und auf ihr Handy laden. Über eine App oder mit einer SMS lässt sich dieses Geld auf ein anderes Mobilgerät übertragen, dessen Besitzer sich den Betrag beim nächsten Agenten in bar auszahlen lassen kann. Der Dienst ist einfach zu bedienen, aber nicht kostenlos: In Kenia, wo M-Pesa als erstes eingeführt wurde, kann eine Kleinüberweisung an einen nicht registrierten Empfänger im schlimmsten Fall gut 40 Prozent des Betrags kosten; im besten Fall aber, bei hohen Beträgen und an registrierte Benutzer, kommt eine Überweisung auf weniger als ein halbes Prozent zu stehen. M-Pesa floriert: Nach dem Start in Kenia 2007 wurde der Dienst ein Jahr später in Tansania eingeführt, danach in der Republik Kongo (2012), in Moçambique, Lesotho und Agypten (2013), in Rumänien (2014) sowie in Albanien und Ghana (2015). Heute ist M-Pesa eine feste Grösse im globalen Geldtransfergeschäft: Allein im vergangenen Jahr wurden 6 Milliarden Überweisungen vorgenommen, 190 Transaktionen pro Sekunde.

M-Pesa ist heute Dienstleister in Sachen Geldtransfer, Mobile Banking und Mikrokredit. In Kenia, wo das Überweisen per SMS seinen Anfang nahm, gibt es heute zwar eine ganze Reihe von Konkurrenten, doch der grösste Dienst ist immer noch M-Pesa. Bereits 2013 flossen über 40 Prozent des gesamten kenianischen Bruttoinlandprodukts durch M-Pesa; allein im dritten Quartal 2016 betrug das gesamte Transfervolumen 10 Milliarden Dollar. 30 Millionen Kunden in zehn Ländern: Was mit dem Tauschen von Gesprächsguthaben begonnen hat, ist heute von globaler Bedeutung.