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Ein bisschen Geld nach Hause schicken

Seit dem Ende der Naturalwirtschaft wäre die Sache eigentlich ganz einfach: Der Mensch arbeitet und lebt vom Entgelt. Wenn da nicht die Sache mit der Migration und den Rimessen wäre.

Menschen ohne Arbeit sind zum Auswandern gezwungen, und ganze Familien, Dörfer, ja ganze Staaten leben von den Löhnen, die in anderen Ländern, auf anderen Kontinenten verdient werden. Diese Gelder, die Migranten regelmässig in ihre Heimat zurückschicken, um ihre Angehörigen zu unterhalten, nennt man ‹Rimessen›, nach dem lateinischen Wort remittere, ‹zurückschicken›.

Rimessen sind keine Kinkerlitzchen. Die Weltbank schätzt, dass heute insgesamt 232 Millionen Migranten Rimessen schicken. Das Gesamtvolumen dieser Zahlungen betrug im Jahr 2015 582 Milliarden Dollar; allein aus der Schweiz stammen davon über 7 Milliarden Dollar. 432 Milliarden – drei Viertel aller Rimessen – gehen dabei in Entwicklungsländer. Zum Vergleich: Was weltweit an Entwicklungshilfegeldern entrichtet wird, entspricht nur gut einem Viertel dessen, was Emigranten an Rimessen entrichten. Mit diesem Geld wird die Ausbildung der Kinder bezahlt, werden Haushaltsgeräte oder ein Hausbau finanziert und der tägliche Bedarf der Familie gedeckt. Das ­belebt die lokale Wirtschaft, lässt die Kindersterblichkeit sinken und die Einschulungsquote steigen.

Viele Länder der Welt hängen stark von diesen Rimessen ab: 2015 flossen 69 Milliarden Dollar nach Indien, 64 Milliarden nach China, 28 Milliarden in die Philippinen, 25 Milliarden nach Mexiko und 21 Milliarden nach Nigeria. Besonders stark am Rimessentropf hängen Staaten wie Tadschikistan (37 Prozent des Bruttoinlandprodukts im Jahr 2014), Kirgisien (30 Prozent), Nepal (29 Prozent), das Königreich Tonga (27 Prozent), Moldawien (26 Prozent), Liberia (24 Prozent), Haiti (23 Prozent) und Gambia (22 Prozent).

Dieses Überweisen rund um den Globus hat eine eigene, intransparente Geldwirtschaft entstehen lassen. Von 200 Dollar, die ein Migrant nach Hause schickt, kommen laut Weltbank im weltweiten Durchschnitt nur 185 Dollar an; der Rest geht an Banken oder Geldtransfergiganten wie Western Union und MoneyGram.

Um Ländern ohne nötige Infrastruktur eine Alternative zu bieten, trat 2007 das Mobilfunkunternehmen Vodafone auf den Plan. Zusammen mit lokalen Telekomanbietern – als Erstes in Kenia, heute bereits in einem Dutzend verschiedener Länder, darunter Ägypten, Rumänien und Albanien – bietet Voda­fone das Zahlungssystem ‹M-Pesa› an (von M wie mobile und pesa, Suaheli für ‹Bargeld›), das es erlaubt, Geld ganz einfach per SMS zu überweisen. Aber auch das ist alles andere als kostenlos: In Kenia, wo M-Pesa erfunden wurde, kann eine Überweisung an einen nicht registrierten Empfänger im Extremfall volle zwei Drittel des Betrags kosten; im besten Fall aber kostet eine Überweisung weniger als ein halbes Prozent.

Weil unter den Empfängern nicht nur Familien, sondern ­gelegentlich auch Kriminelle oder gar Terroristen sind, geraten die Rimessen immer wieder ins Visier der Behörden. Angesichts der enormen Beträge aber sind sie aus dem Leben ganzer Kontinente nicht mehr wegzudenken.