Konkurrenz belebt das Geschäft. Aber: Konkurrenz ist auch anstrengend. Und daher waren Händler seit jeher über die Massen erfindungsreich, wenn es darum ging, sich unliebsame Konkurrenz vom Leib zu halten. Die Erfindung: Eine Abgabe namens Zoll.
Ein Zoll ist eine Abgabe, die beim Transport von Waren über eine Wirtschaftsgrenze erhoben wird – je nach Richtung spricht man von einem Einfuhr- oder Ausfuhrzoll. Das Wort kommt vom griechischen telṓnion, «Zollhaus», und das Geschäftsmodell ist seit dem Altertum gang und gäbe: Der Fuhrmann hatte für die Benutzung einer Strasse oder beim Übergang über eine Brücke eine Gebühr zu entrichten. Diese Wege- oder Brückenzölle waren zwar wenig beliebt, aber noch durchaus einleuchtend: Der Bau der Verkehrsinfrastruktur hatte viel Geld gekostet, und niemand konnte es dem Erbauer verdenken, wenn dieser, Abgabe für Abgabe, einen angemessenen return on investment erwartete. Der Zoll als Gebühr dagegen, die an den Herrscher ging, leuchtete weniger ein. Aber nur so lange, bis die örtliche Wirtschaft begriff, dass dieser Einfuhrzoll einen ziemlich wirksamen Schutz darstellte: Fremde Ware wurde per se um den Zollbetrag teurer als einheimische; von Auswärtigen unterboten zu werden, wurde also schwieriger. Und damit war der Schutzzoll geboren – und der sogenannte Protektionismus (vom lateinischen protectio, «Bedeckung», «Schutz») zählte bald zum Standardrepertoire der Aussenhandelspolitik.
Ob Fiskal-, Prohibitiv-, Schutz-, Erziehungs- oder Vergeltungszoll: Vater aller Zollabgaben ist immer auch der Geldhunger des Staatswesens. Im ausgehenden Mittelalter, als die Staaten von absolutistischen Herrschern regiert wurden, deren kostspielige Entourage und deren wachsende Heere und Beamtenapparate immer grössere Summen verschlangen, entwickelte sich der Warenzoll im Zuge des sogenannten Merkantilismus in erster Linie zum kaiserlich-königlichen Kassenfüller. Oberstes Ziel wirtschaftlichen Handelns war die Mehrung von Reichtum, Macht und Einfluss des jeweiligen Herrschers – durch angestrebtes Bevölkerungswachstum und tiefe Löhne, florierende Produktion und das Erzielen von Aussenhandelsüberschüssen. Der Export von Fertigwaren etwa wurde aktiv gefördert, ihr Import dagegen mit der Erhebung von Zöllen behindert, was gleichzeitig die Binnenproduktion schützte und dazu willkommene Geldmittel freisetzte.
Diese protektionistische Politik hat zunächst unbestreitbare Vorteile.
Historically, free trade is the exception and protectionism the rule,
schrieb 1993 der angesehene Wirtschaftshistoriker Paul Bairoch in seinem Standardwerk «Economics and World History: Myths and Paradoxes». Die von der Regierung Otto von Bismarcks 1878 durchgesetzte Schutzzollpolitik etwa stützte die inländischen Preise mit Abgaben auf importiertem Eisen, Getreide, Holz und Vieh, aber auch auf Genussmitteln wie Tabak, Tee und Kaffee, was längerfristig tatsächlich die wirtschaftliche Entwicklung des deutschen Reichs förderte. Weil die Preise und Lebenshaltungskosten stiegen, die Reallöhne und damit die Binnennachfrage aber tief blieben, wuchs trotz allem die Auslandsabhängigkeit der Industrie. Gleichzeitig lief Bismarcks Aussenhandelspolitik ins Leere, weil die meisten europäischen Staaten ebenfalls in die protektionistische Trickkiste griffen. Schutzzölle allerorten liessen Deutschlands Exporte schrumpfen, was die noch junge Chemie-, Elektro- und Maschinenindustrie in Mitleidenschaft zog.
Protektionismus kann beim Aufbau neuer Wirtschaftszweige helfen, die noch nicht wettbewerbsfähig genug sind und dem Druck bestehender Konkurrenz aus dem Ausland nicht standhalten würden. Ehemalige Entwicklungsländer wie China konnten dank breit verhängter Schutzzölle zu Industrieländern aufsteigen, was liberalisierten Schwellenländern mit ähnlichen Voraussetzungen weniger gut oder gar nicht gelang. Trotzdem werden Zölle heute kritisch betrachtet. Sie behindern den internationalen Handel und haben dazu den Nachteil, verkrustete Strukturen und damit unwirtschaftliche Branchen zu schützen, die Preise künstlich hoch zu halten und damit der Allgemeinheit mehr zu schaden als zu nützen. 1947 rückte das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT den Zöllen weltweit auf den Leib, seit 1995 tut dies die Welthandelsorganisation WTO. Aber ganz der Vergangenheit gehören sie noch lange nicht an. 2016 machten die von den Behörden der europäischen Zollunion erhobenen Einfuhrzölle mit netto über 20,1 Mrd. Euro mehr als 15 Prozent des gesamten EU-Haushalts aus.