Unseren Obolus leisten wir immer dann, wenn wir etwas zu bezahlen haben. Aber was wir da genau berappen, wissen wir heute nicht mehr. Zum Glück, wie ein Blick in die Geschichte zeigt.
Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel, sagt die Bibel. Dass sich Geld und Götterwelt kaum miteinander vereinbaren lassen, sahen die Menschen allerdings nicht immer so eng. Die amerikanische Redensart There ain’t no such thing as a free lunch (was ungefähr so viel bedeutet wie: «Nichts im Leben ist gratis») galt nämlich auch im Reich der Götter. Der erste Münzautomat der Geschichte diente im 1. Jahrhundert n. Chr. dazu, Gläubigen Weihwasser zu verkaufen, und im alten Rom diente der Juno-Tempel gar als städtischer Tresor.
Selbst im Jenseits wurde mit klingender Münze bezahlt. Charon, der finstere Fährmann der griechischen Mythologie, wollte für die Überfahrt über den Fluss Acheron, den Totenfluss, der die Welt der Lebenden vom Totenreich trennt, bezahlt werden. Der Einheitstarif für diese letzte Fahrt betrug einen Obolus. Und weil die toten Seelen keinen Geldbeutel mit sich zu führen pflegten, legte man ihnen diesen Obolus vor der Bestattung unter die Zunge. There ain’t no such thing as a free lunch galt also bereits am Ufer des Totenflusses: Ohne Obolus kein Eintritt in den Hades. Toten ohne nötiges Kleingeld verwehrte Charon die Überfahrt und verdammte sie dazu, 100 Jahre lang am Ufer des Acheron umherzuirren.
Der Obolus war eine im antiken Griechenland gebräuchliche Silbermünze. Ihr Wert war gering: Er betrug einen Sechstel einer Drachme. Das griechische Wort obolós allerdings bezeichnete ursprünglich kein Geldstück, sondern wörtlich einen ‹kleinen Bratspiess› . Im 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr., als man in Griechen land und Ägypten Geldstücke noch nicht aus runden Metallplättchen zu schlagen pflegte, zerschlug man Schmuck oder Silberblech kurzerhand in kleinere Stücke, deren Wert jeweils dem Metallgewicht entsprach. Wegen ihrer rohen, kantigen Form wurden sie im Volksmund ‹Hacksilber› oder ‹Spiesse› genannt. (Mit dem Obolus sprachlich eng verwandt ist übrigens auch der Obelisk, jene spitz zulaufende, schlanke Steinsäule der alten Ägypter, die dem nicht ganz so schlanken Gallier Obelix den Namen gab.)
Geflügelten Worten ist oft ein langes Leben beschieden. Noch heute leisten wir unseren Obolus, wenn wir eine Gebühr oder eine Spende entrichten. Einer anderen Redensart zufolge tragen wir zu einer Sache unser Scherflein bei. Dieses ‹Scherflein› geht auf den mittelalterlichen Scherf zurück, eine kleine Silbermünze mit dem Wert eines halben Pfennigs, die im damals üblichen Geschäftslatein – wie in alten Zeiten – Obolus hiess. Auf diese Weise ist ein Totenritus der alten Griechen am Leben geblieben, bis auf den heutigen Tag.