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Schätze aus dem Morgenland

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Die drei Weisen aus dem Morgenland, die den neugeborenen Jesus in Nazareth besuchten, brachten kostbare Gaben mit. Und die waren so gut wie bares Geld.

Die biblischen Weisen Kaspar, Melchior und Balthasar kamen nicht mit leeren Händen: «Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.» So steht es im Matthäusevangelium zu lesen. Die Gaben waren kostbar: Gold, aber auch die wertvollen Harze des Weihrauchbaums und des Myrrhenstrauchs waren so gut wie bares Geld.

Gold, zu Münzen verarbeitet oder ungemünzt, war selten genug, und seine Förderung war mühselig und gefährlich. Das Waschen von Gold in runden Pfannen erbrachte selbst in stark goldhaltigen Flüssen nur einen geringen Ertrag. Der liess sich etwas steigern, indem man das Wasser durch Kanäle leitete, die man zuvor mit feinblättrigem Kraut oder dichtem Gras bepflanzt hatte, in dem sich die Goldplättchen verfingen. Nach dem Verbrennen der Blätter und Halme liess sich das gewonnene Gold verhältnismässig leicht aus der Asche spülen. Noch höher war die Ausbeute, wenn man den goldhaltigen Sand mit Quecksilber versetzte, das entstandene Gold-Quecksilber-Amalgam abgoss und in offenen Gefässen auf 360 Grad Celsius erhitzte. Das Quecksilber verdampfte, und zurück blieb das kompakte Rohgold. Die Kehrseite der Medaille: Die toxischen Dämpfe vergifteten nicht nur die Arbeiter, sondern verseuchten ganze Landstriche.

Weihrauch, wörtlich ‹heiliger Rauch›, ist das getrocknete Harz des Weihrauchbaums. Verbrennt man das mit weiteren Harzen, wie jenem des Myrrhestrauchs, versetzte gelblichbraune Weihrauchharz, entsteht ein Rauch, der ätherische Öle enthält. Der entzündungshemmende Weihrauch und die als Schmerzmittel genutzte Myrrhe waren begehrt, und ihr Harz war in Zeiten des Tauschhandels eine Wertanlage: Um Christi Geburt bestanden feste Handelsrouten, auf denen der Weihrauch aus Somalia und Äthiopien, aber auch aus Indien und den Ländern am Roten Meer in den Nahen Osten gebracht wurde. Schon die alten Ägypter hatten das gesuchte Harz zu kultischen Zwecken und zur Mumifizierung eingesetzt. Gross­ flächige Reliefs im Totentempel der Pharaonin Hatschepsut, die im 15. Jahrhundert v. Chr. ans Horn von Afrika gereist war und dort in grossem Stil Weihrauch und Myrrhe aufgekauft hatte, zeugen von der wirtschaftlichen Bedeutung der begehrten Harze.

Was die drei Weisen aus dem Morgenland in den Händen hielten, als sie vor der Krippe Jesu niederknieten, war ohne Zweifel unermesslich kostbar. Eine einzige römische Goldmünze, ein Aureus, überstieg den Monatslohn eines Handwerkers oder Legionärs bei weitem; allein die goldgefüllte Schatulle stellte damit ein Vermögen dar. Und doch handelt die biblische Geschichte nicht von Geld. Schon im 3. Jahrhundert kam der Gelehrte Origines von Alexandria zum Schluss, dass die Geschenke als Symbole für den Beschenkten zu deuten seien: Gold steht für die Königswürde Christi, der Weihrauch für seine Göttlichkeit, und die bittere Myrrhe schliesslich verweist auf Leidensweg, Kreuzigung und Tod.