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NFC-Chip: Der Tresor für die Hosentasche

Geld bedeutet Wohlstand und Verlockung zugleich – Wohlstand für den Besitzer, Verlockung für den Dieb. Was einst der Tresor war, ist heute eine integrierte Schaltung auf der Kreditkarte oder im Handy: Der NFC-Chip macht das Zahlen mobil – und blitzschnell.

Rascher einkaufen geht nicht: Die Kreditkarte oder das Smartphone ans Lesegerät halten, Ware einpacken, fertig. Die Technik spricht von NFC und RFID, von near field communication und von radio-frequency identification, und möglich macht das ganze ein flacher, fingernagelkleiner Chip, der in die Kreditkarte integriert oder ins Handy eingebaut ist. Dahinter stecken Dutzende Patente und Erfinder.

Einer davon war der Elektroingenieur Charles Walton. In Sunnyvale, mitten im Silicon Valley gelegen, gründete er 1970, nach zehn Jahren Forschung für den Blauen Riesen IBM, sein eigenes Unternehmen «Proximity Devices». Drei Jahre später reichte er beim US-Patentamt ein Gesuch für ein Funksystem ein, das eine eindeutige Identifikation eines Gegenstandes oder einer Person ermöglichen sollte, sicher, vollautomatisch und berührungslos. Der portable radio frequency emitting identifier (RFID), wie Walton seine Erfindung nannte, besteht aus einem Transponder, der ein Funksignal empfangen, automatisch beantworten und weitergeben kann, und aus einem Lesegerät. Der Transponder ist passiv: Er benötigt keine eigene Stromversorgung, denn die Energie, die er zum Funken braucht, bezieht er aus dem elektromagnetischen Feld des Senders. Daher kann er auch winzig sein: In Fingernagelgrösse sitzt er auf Kreditkarten, klein wie ein Reiskorn lässt er sich implantieren, und flach wie eine Briefmarke wird er auf Produkte geklebt. Gebäudezugang, Wareninventar, Buchausleihe oder Personalausweis: Nichts, was sich mit RFID nicht eindeutig identifizieren liesse. Walton war nicht der erste, aber wohl der geschäftstüchtigste Forscher auf diesem Gebiet, und 1983 wurde sein Funkprinzip patentiert.

Waltons erstes Produkt war eine elektronische Schliessanlage, deren Tür sich erst öffnen liess, wenn der RFID-Chip an den Sensor gehalten wurde. Und doch stand die Technik lange im Schatten des Barcode: Als einfacher, gedruckter Balkencode war der im Wareninventargeschäft viel billiger, und erst als sich 2002 die Giganten Philips und Sony auf einen einheitlichen RFID-Standard einigten, kam Schwung in die Sache. In den folgenden Jahren tauchten die ersten Funkplakate auf, die auf den Handys der Passanten Apps anboten oder Videos abspielten, und mit dem Modell 6131 NFC stellte Nokia 2006 das erste RFID-fähige Mobiltelefon vor.

Die wichtigste Anwendung von Waltons Technik ist heute das bargeldlose Bezahlen. Vorbei das Einlesen von Bankkarten mit Magnetstreifen, vorbei das Eintippen von vier- und sechsstelligen PIN-Codes. Jede moderne Konto- oder Kreditkarte verfügt über einen flachen NFC-Chip. Weil dessen passiver Transponder nur auf eine Entfernung von wenigen Zentimetern funktioniert und sich ohne physischen Zugriff aus der Ferne nicht hacken lässt, gilt die auf RFID beruhende «near field communication» als sehr sicher; bei kleineren Beträgen ist in der Regel nicht einmal mehr die Eingabe einer PIN-Nummer nötig. Kombiniert man nun diese sichere Nahfeldkommunikation mit den ebenso sicheren Fingerabdrucklesern oder gar Gesichtserkennungen moderner Handys, steht dem bargeldlosen Zahlen nichts mehr im Weg.

Als erstes integrierte Apple 2014 die Technik in seine Smartphones und bot mit der App «Wallet» eine Plattform an, über die das Bezahlen wie von Geisterhand möglich wird: Handy entsperren, an den Leser halten, fertig. Im Gegenzug handelte Apple mit den Kreditkartenfirmen einen Anteil an der Kommission aus, die diese von den Händlern verlangen. Nach anfänglichen Scharmützeln mit den Banken, die sich vor der neuen Konkurrenz fürchteten, hat sich dieses Geschäftsmodell mittlerweile stark verbreitet: Heute buhlen neben Apple auch Google, Samsung, Fitbit, Garmin und selbst der Schweizer Uhrenhersteller Swatch ihren Bezahlplattformen um die Gunst des Kunden. Die RFID-Patente mögen längst abgelaufen sein, und Erfinder Walton starb 2011. Seine Erfindung aber ist lebendig wie nie.