Bahnen haben die Börsengeschichte geprägt: Der allererste Dow Jones von 1884 bestand zur Hauptsache aus Eisenbahntiteln. Die Zukunft könnte Hochgeschwindigkeitsbahnen gehören, Bahnen, die sich Studierende der ETH Zürich ausdenken.
Am 24. November 2016 ging auf der Umfahrungsautobahn von Los Angeles gar nichts mehr. Der Verkehr auf dem Freeway 405, mit täglich 390 000 Fahrzeugen auf bis zu 14 Fahrspuren die meistbefahrene Strasse der USA, kam völlig zum Erliegen. Viele hatten dem Stau zu entkommen versucht, der an diesem Abend von Thanksgiving zu erwarten war. Zu viele: Es kam zum complete gridlock, dem totalen Verkehrsinfarkt, den die Medien als den womöglich schlimmsten bezeichneten, den die Welt bisher gesehen hatte. Die Interstate heisse nur deshalb «405», witzelte ein staugeplagter Fahrer auf Facebook, «weil Du 4 oder 5 Stunden brauchst, um irgendwohin zu kommen».
Ob auf den Strassen oder in der Luft: In den Ballungszentren dieser Welt stösst der Verkehr längst an seine Grenzen. Elon Musk, Chef von Tesla und des Raumfahrtunternehmens SpaceX und der Staus um Los Angeles überdrüssig, stellte am 12 August 2013 ein 57-seitiges Dokument ins Web, das die kühne Idee namens «Hyperloop» umriss: Weshalb nicht Passagiere in fensterlose Kapseln mit je 28 Plätzen stecken, die ähnlich einer Rohrpost mit 1220 Stundenkilometern durch ein luftleeres Rohr geschossen werden? Die Strecke zwischen LA und San Francisco, immerhin über 600 Kilometer, liesse sich so in einer halben Stunde zurücklegen statt in heute sechs Stunden – und selbst das nur ohne Stau.
Seither gilt der «Hyperloop» als Vision einer möglichen Zukunft. In Deutschland und den Niederlanden gibt es bereits konkrete Projekte, und in der Schweiz haben sich Studierende der ETH Zürich der Vision «Swissloop» verschrieben. Auch «Swissloop» ist mehr als bloss eine Idee: Die angehenden Physiker, Mathematikerinnen, Elektro- und Maschinenbauingenieure haben eine dreieinhalb Meter lange Kabine gebaut, die sie auf den Namen «Escher» getauft haben und die auf Magneten schwebend durch ein Vakuumrohr schiessen soll. Angetrieben werden soll das weisse, an einen Delfin gemahnende Geschoss mit Druckluft, mit Elektro- oder Linearmotoren. Das Konzept überzeugte den Visionär Elon Musk, und das ETH-Team erreichte den Final der zweiten Hyperloop Pod Competition, die SpaceX am 25. bis 27. August in Hawthorne, Kalifornien, veranstaltete. Der Test schlug zwar fehl: «Eschers» Batterien versagten, und weil im Testrohr kein Vakuum mehr herrschte, kam die Kapsel am Ende nur auf Tempo 40.
Der Optimismus der «Swissloop»-Mannschaft aber ist ungebrochen: Der Prototyp zeigt, dass eine Hochgeschwindigkeits-Magnetschwebebahn technisch realisierbar ist. Mit ihr würde eine Fahrt von Zürich nach Genf gerade mal 15 Minuten dauern. Die Rohre, so sieht es der Vorschlag des ETH-Teams vor, würden überirdisch verlaufen, was die Anlage weniger teuer und dazu energieeffizienter machen würde, weil sie sich mit Solarzellen verkleiden liessen und so gleich den Strom für Vakuumpumpen und Elektromotoren liefern könnten. «Swissloop»-Chef Luca Di Tizio und sein Team sind davon überzeugt, dass sich eine erste Bahnstrecke in weniger als zehn Jahren bauen liesse – oder sogar schon in deren fünf, falls sich die visionären Schweizer mit Teams zusammenschlössen, deren Pläne schon weiter fortgeschritten sind.
Noch ist «Swissloop» ein Verein aus ehrenamtlichen Mitarbeitern und acht ETH-Studierenden, deren Arbeit ans Studium angerechnet wird. Geht es aber nach Di Tizio und seinen Tüftlern, ist «Swissloop» bald Big Business – als Bahnbauer der Zukunft.