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Geld: Das Salz des Lebens

Salz ist weit mehr als bloss ein Gewürz: Salz ist lebensnotwendig und daher ein kostbares Gut. Jahrhundertelang war die Schweiz auf Salzimporte angewiesen. Ein hartnäckiger deutscher Bohrspezialist und «Salinist» änderte das 1836 nachhaltig.

Wer arbeitet, erhält dafür einen Lohn, ein Salär. «Salär» kommt vom französischen salaire, und das wiederum geht auf das lateinische salarium zurück, den Sold, mit dem die römischen Legionäre bezahlt wurden. Salami, Salat, Salär – alle stammen sie vom Ur-Wort sal ab, das seit Jahrtausenden in vielen Sprachen «Salz» bedeutet.

Ohne Salz kein Leben: Kochsalz – genauer: Natriumchlorid mit der chemischen Formel NaCl – ist der wichtigste aller Mineralstoffe. Im Körper eines erwachsenen Menschen zirkulieren 150 bis 300 Gramm Salz. Täglich werden bis zu 20 Gramm davon ausgeschieden, und dieses Salz muss über die Nahrung wieder ersetzt werden. Mit Salz lassen sich Speisen würzen, und Salz macht Fleisch, Fisch, Käse und Gemüse haltbar. Salz spielte seit jeher auch eine wichtige Rolle in Handwerk und Gewerbe: in der Gerberei, der Töpferei, der Apotheke – und, der Chemie sei Dank, sogar bei der Kälteerzeugung: Stellt man Bierflaschen in einen Topf mit Wasser und Eiswürfeln, die man mit Salz bestreut, kühlt das Bier schlagartig ab.

Im Mittelmeerraum, an der französischen Atlantikküste, in Indien und Mittelamerika war die Salzgewinnung im Prinzip einfach: Das Meerwasser, das durchschnittlich 35 Gramm Salz pro Liter enthält, wurde in flache, «Salzgärten» genannte Becken geleitet, und nach dem Verdunsten wurden die zurückbleibenden Salzkristalle geerntet. Nur: Nicht alle Menschen leben an Küsten. Im Landesinneren blieb entweder die Salzgewinnung aus Salzseen oder der Abbau von eingelagertem Steinsalz aus prähistorischen Meeren, das entweder im Bergbau gebrochen oder aber in Wasser gelöst und in flachen Pfannen eingedampft wurde. Von diesem Verfahren stammt denn auch der Name «Kochsalz» – nicht weil man das Salz zum Kochen braucht, sondern weil es durch Sieden gewonnen wurde. Nach der Gewinnung wurde das Salz in Säcke abgefüllt, die leichter waren als die üblichen Fässer, und anschliessend über weite Strecken, die «viae salariae» genannten Salzstrassen, transportiert. Salz wurde gehandelt, gehortet, besteuert, mit Salz wurde spekuliert und Politik gemacht.

Die Schweiz als Binnenland war bis ins 19. Jahrhundert fast vollständig auf Salzimporte angewiesen. Salz aus Tirol und Bayern versorgte etwa Graubünden und die Ostschweiz; Bern wurde vornehmlich mit Salz aus dem Burgund beliefert, Genf und die Westschweiz mit Salz aus der Camargue, das Tessin schliesslich, die Zentralschweiz und die südbündner Talschaften mit Mittelmeersalz von Venedig bis Nordafrika. Im Mittelalter war der Salzhandel im Prinzip frei. Weil dafür aber internationale Beziehungen und viel Kapital nötig waren und dazu ab dem 16. Jahrhundert die Handelsfreiheit eingeschränkt wurde, entstand in der Schweiz so etwas wie ein Salzadel: Hans Heinrich Lochmann (1538–1589) aus Zürich und Benedikt Stokar (1516–1579) aus Schaffhausen kontrollierten den Import aus Savoyen und der Camargue, Hippolyte Rigaud (1558–1624) aus Genf sowie die Walliser Michael Mageran (1575–1638) und Kaspar Stockalper vom Thurm (1609–1691) jenen aus Venedig und Frankreich. Auch die Patrizierfamilie der Besenval (17./18. Jh.) in Solothurn oder François Fatio (1622–1704) in Genf schöpften ihren Reichtum aus dem Handel mit Salz.

Trotz der Entdeckung beträchtlicher Salzvorkommen in Bex VD in der Mitte des 16. Jahrhunderts blieb die Schweiz auf Importe angewiesen. Das änderte sich schlagartig, als der deutsche Bohrspezialist und «Salinist» Carl Christian Friedrich Glenck (1779–1845) nach jahrelangen erfolglosen Versuchen in den Kantonen Bern, Wallis, Solothurn, Zürich, Schaffhausen und Baselland am 30. Mai 1836 bei Muttenz fündig wurde: In einer Tiefe von 135 Metern stiess der Bohrmeissel auf eine massive, 6 Meter dicke Schicht aus Steinsalz. Unternehmer, der er war, gründete Glenck die Saline Schweizerhalle, die ein Jahr später mit dem industriellen Abbau begann; binnen kurzer Zeit stieg die Fördermenge auf 10’000 Tonnen pro Jahr. Auch anderswo wurde Salz entdeckt: In nur einem Jahrzehnt erhielt Schweizerhalle Konkurrenz aus Kaiseraugst, Rheinfelden und Riburg AG. Seit 2014 sind die heute noch aktiven Schweizer Abbaustätten Riburg, Schweizerhalle und Bex unter dem Dach der Schweizer Salinen AG vereinigt und produzieren mit ihren rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jährlich 400’000 bis 600’000 Tonnen Salz.

Das Salz der Erde sein, jemandem die Suppe versalzen, Salz in die Wunde streuen – in Sprache und Kultur ist Salz omnipräsent. Zu allen Zeiten war Salz nicht nur lebensnotwendig, sondern auch kostbar, und als «weisses Gold» hatte es stets auch eine hohe symbolische Bedeutung. Als Zeichen des Wohlstandes war das omnipräsente Salzfass zu allen Zeiten eine Ikone der Malerei. Im Barock war Salz gar Sinnbild der Reinheit und, weil lebensnotwendig, von Christus selbst; das Salzfass umzustossen, galt als ausgesprochen schlechtes Omen. Kein Salz, kein Leben, kein Gott: «Das kommt (…) von dem trostlosen Atheismus!», lässt Gottfried Keller 1879 den grünen Heinrich im gleichnamigen Roman ausrufen: «Wo kein Gott ist, da ist kein Salz und kein Halt!»

Dieser Artikel erschien am 6. September 2021 im Blog des Schweizerischen Nationalmuseums, Zürich.