Dem jungen Ehepaar mangelt für gewöhnlich das Geld an allen Ecken und Enden. Abhilfe schuf die Mitgift – und manchmal noch etwas mehr: Eine Lebensversicherung für die Braut.
Mit gift’gem Weib ist lebenslang gequält,
Wer sich ein Weib der Mitgift wegen wählt,
Denn Gift bleibt Gift, von welcher Art es sei,
Und solche Hochzeit ist – Giftmischerei,
soll August Heinrich Hoffmann von Fallersleben im 19. Jahrhundert gedichtet haben. Der Vers ist giftig, aber sprachgeschichtlich falsch, denn «Mitgift» hat mit toxischen Stoffen nichts zu tun. «Gift» ist ein altes Wort für «Gabe»; die Mitgift ist Vermögen, das der Brautvater seiner Tochter mit in die Ehe gibt. Sie kann aus Bargeld bestehen, je nach Vermögen der Familie aus Immobilien oder Hausrat. Zumeist bestand diese Aussteuer aus Textilien, Tafelsilber und Geschirr, aus Haushaltsgegenständen aller Art. So unterschiedlich die Geschenke ausfallen konnten: Zweierlei hatten sie gemeinsam. Sie waren von hoher Qualität, weil sie bis ins hohe Alter halten sollten (die beste Ware hiess «Aussteuerqualität»), und sie wurden traditionell vom Vater der Braut überreicht – nicht an das frisch getraute Paar, sondern vielmehr an den Vater des Bräutigams.
Die Mitgift ist eine kulturell festgelegte Form des Gabentausches anlässlich einer Heirat. Ihre Aufgabe ist es, die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der verheirateten Frau zu stärken und die Ehe materiell zu festigen. Die Mitgift sollte dem jungen Paar einen eigenen Haushalt ermöglichen, und wenn der Ehemann vorzeitig starb, sollte sie seine Witwe finanziell absichern. Ihre Höhe hing vom gesellschaftlichen Status des Bräutigams ab, was die (durchaus beabsichtigte) Folge hatte, dass Frauen aus niedrigeren Schichten kaum in die bessere Gesellschaft einheiraten konnten, ohne dass dazu explizite Verbote nötig gewesen wären. Ausserdem war die Mitgift ein Druckmittel: Folgte die junge Frau bei der Partnerwahl nicht dem elterlichen Willen, musste sie damit rechnen, keinerlei Aussteuer zu erhalten, sofern sie nicht gleich ganz enterbt wurde. Mitgift setzt Vermögen voraus, und bis heute gelten Töchter in vielen Ländern als potentielles Armutsrisiko, was bis hin zur Abtreibung unerwünschter weiblicher Föten führen kann. Indien und China etwa steht Studien zufolge ein massiver Frauenmangel bevor.
«Die Mitgift kann als eine Art Brauterbe zu Lebzeiten gesehen werden», schreibt der namhafte britische Ethnologe Jack Goody, der sich mit der Rolle der Frau in vielen Völkern auseinandergesetzt hat. Goody unterscheidet dabei zwischen einer «direkten» und einer «indirekten» Mitgift. Die «direkte» Mitgift ist Vermögen, das zum Zeitpunkt der Hochzeit von der Brautfamilie ans Brautpaar übergeht. Anders ist es bei der «indirekten» Mitgift, dem sogenannten «Brautgeld», das vor der Heirat entrichtet wird und eine Transaktion zwischen den beiden Familien darstellt. Doch auch die indirekte Mitgift – in der Regel vom Bräutigam an den Brautvater gezahlt – geht in den meisten Gesellschaften an die Braut, selbst wenn es da und dort üblich war, dass der Brautvater einen Anteil für sich behielt.
Die Tradition, eine Braut mit Vermögen auszustatten, ist jahrtausendealt.
Dass sie die Hochzeit ordnen, und Brautgeschenke bereiten,
Reichliche, so wie gebührt, der lieben Tochter zur Mitgift,
dichtete schon Homer im 7. Jahrhundert v. Chr. in der Odyssee, und welch kriegerische Heiratssitten die alten Germanen pflegten, beschreibt der römische Geschichtsschreiber Tacitus um 100 n. Chr. in seinem Werk «Germania»:
Die Mitgift bringt nicht die Gattin dem Gatten zu, sondern der Gatte der Gattin. Zeugen dabei sind die Eltern und Verwandten; sie prüfen die Geschenke, die weder mit Rücksicht auf weibliche Liebhabereien ausgesucht sind noch um der Neuvermählten zum Schmuck zu dienen, sondern Rinder und ein gezäumtes Pferd und einen Schild samt Wurfspiess und Schwert.
Im 20. Jahrhundert dagegen begann die Tradition zu schwinden, und seit den 1970er-Jahren sind Mitgift und Aussteuer fast gänzlich verschwunden.