Wahre Kunst ist nie nur Kultur, sondern stets auch Ware: Diese Überzeugung machte den niederländischen Barockmeister Rembrandt zum reichen Mann – und führte ihn in den Bankrott.
Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts, sagte sich der Künstler Rembrandt Harmenszoon van Rijn, heute besser bekannt unter seinem Vornamen Rembrandt. Und wenn es um Geld ging, war Rembrandt ein Freund runder Beträge. Eltern, die ihre Kinder bei ihm in die Lehre geben wollten, zahlten als Lehrgeld pro Jahr 100 Gulden, im Amsterdam des 17. Jahrhunderts eine unerhörte Summe. 100 Gulden soll Rembrandt pro Exemplar einer seiner berühmtesten Radierungen, «Christus heilt die Kranken», verlangt haben, und ebenfalls 100 Gulden zahlte er selbst auf einer Auktion in Amsterdam für einen dieser Abzüge – eine aufsehenerregende Spekulation auf den eigenen Ruhm und den künftigen Wert seiner Werke –, weshalb der Kupferstich auch «Hundertguldenblatt» genannt wird.
Rembrandt war nicht nur gefeierter Maler, Radierer und Zeichner, sondern auch ein fähiger Geschäftsmann. Kunst, seine Kunst, betrachtete er als Ware mit einem Wert, und der Erwerb eines seiner eigenen Hundertguldenblätter war eine gerissene Marketingaktion: Sie zeugte davon, wie rar und wie wertbeständig seine Werke auf dem Kunstmarkt waren, welche Summen sich mit dem Verkauf erzielen liessen – und nicht zuletzt, wie wohlhabend ein Künstler sein musste, der in der Lage war, eine solche Summe aufzuwenden.
Dabei erzählt das «Hundertguldenblatt» doch eine vollkommen andere Geschichte. Der Kupferstich zeigt Jesus, leuchtend und erhaben vor dem tiefen Dunkel menschlichen Elends, der dabei ist, zu ihm pilgernde Kranke zu heilen. Eine Mutter hält ihm flehend ihr Kind entgegen, Männer und Frauen jeden Alters bitten um Erlösung von ihren Leiden, knieend oder liegend, einer wird gar auf einer Schubkarre herbeigerollt. Eine Menschenmenge im Hintergrund betrachtet die Szene mit Skepsis – es heisst, die sorgfältig ausgearbeiteten Gesichter stellten wohlhabende Amsterdamer dar, deren ein jeder, wen wundert’s, ebenfalls 100 Gulden dafür gezahlt haben soll, vom grossen Meister in einem seiner Werke verewigt zu werden.
Das Thema der überwältigenden, in machtvollen Licht-und-Schatten-Kontrasten modellierten Komposition ist eine synchrone Erzählung einzelner Begebenheiten aus Kapitel 19 des Matthäus-Evangeliums: um Heilung bettelnde Kranke und Kinder, argumentierende Pharisäer; der von Jesus zurechtgewiesene, enttäuschte reiche Jüngling. Im Hintergrund schliesslich, halb verborgen im Halbdunkel eines Torbogens, steht etwas gelangweilt das biblische Kamel, das genausowenig durchs Nadelöhr geht wie ein Reicher in den Himmel.
Für einen Abzug der Radierung, die als «Hundertguldenblatt» ihren einstigen Preis im Namen trägt, werden heute Zehntausende Euro gezahlt. Doch bei aller Geschäftstüchtigkeit sollte auch Rembrandt nicht als reicher Mann in den Himmel eingehen. Als er am 26. Juli 1656 offiziell seinen Konkurs anmelden musste – vorgeblich die Krankheit und der frühe Tod seiner Lebensgefährtin, tatsächlich aber auch gewagte Kunstspekulationen, eine opulente Haushaltführung und eine drückende Schuldenlast auf einem Haus an bester Lage –, erbrachte die Zwangsversteigerung seiner eigenen Gemälde im Schnitt noch 30 Gulden.