Ein spektakuläres Reiterporträt, in einem Museumsdepot entdeckt, entpuppt sich als Zeuge eines Lebens wie aus einem Abenteuerroman: Der wilde Galopp des Freiburger Söldnerführers Franz Peter König durch den Dreissigjährigen Krieg.
Jahrzehntelang lagerte das riesenhafte, fast drei mal drei Meter grosse Gemälde auf ein Lattengerüst gerollt in einem Depot des Museums für Kunst und Geschichte Freiburg. Ein erster Augenschein zeigte einen stolzen Reiter in prachtvollem schwarzem Harnisch, auf einem galoppierenden Rappen mit edelsteinbesetztem Zaumzeug. Den Schnurrbart sorgsam gezwirbelt, die golddurchwirkte Feldherrenschärpe über der Schulter, die behandschuhte Rechte locker auf dem Knauf des Marschallstabs – und oben links, das Erstellungsjahr 1631. Als Maler stellte sich der renommierte St. Galler Samuel Hofmann heraus, der in Süddeutschland, am Bodensee, in der Ostschweiz und in Zürich einen hervorragenden Ruf genoss. Bloss: Wer hatte Hofmann hier Modell gestanden? Wer war dieser rätselhafte Musketier?
Acht Monate sollte es dauern, bis das durch die unsachgemässe Lagerung beschädigte Gemälde endlich restauriert war. Währenddessen begann die spätere Museumsdirektorin Verena Villiger die Archive zu durchforsten, um schliesslich das Geheimnis zu lüften: Das Reiterporträt zeigte den Obersten und Söldnerführer Franz Peter König (1594-1647). 1631, im Jahr des grandiosen Reiterporträts, war König Mitglied des Rats der Stadt und Republik Freiburg, ausserdem Gouverneur der Stadt Lindau am Bodensee, und gerade erst war er von Kaiser Ferdinand II zum «Freiherrn von und zu Billens und Herr zu Hennens und Villariaz» ernannt worden, Herrschaften, die sein Bruder und er zwei Jahre zuvor erworben hatten. König, Baron und Gouverneur, war auf dem Zenit seiner Macht.
Franz Peter König stammt weder aus einer besonders vornehmen noch aus einer besonders reichen Familie. Er ist Sohn des Notars Jean Rey de Moret, der seinen Namen später zu «König von Mohr» eindeutscht. Ob der junge Franz Peter wie seine jüngeren Halbbrüder das Freiburger Jesuitenkollegium St. Michael besucht, ist nicht belegt, aber er ist ohne Zweifel ein gebildeter Mann: Er spricht von Haus aus Französisch, beherrscht aber auch Deutsch, Italienisch und Latein. Im Alter von 14 oder 15 Jahren begibt sich der junge König wie so viele junge Schweizer in fremden Kriegsdienst. Der Schritt ist nicht ungewöhnlich: Das Kriegshandwerk beschäftigt einen Grossteil der männlichen Bevölkerung. Freiburger Söldner werden nicht einzeln angeworben, sondern als geschlossene Verbände, die dann in der Regel an die französischen Könige «vermietet» werden. Ausgehobene Söldnerkontingente unterstehen, obgleich in fremden Diensten, dem Freiburger Recht; Versorgung und Verwaltung liegen in den Händen der Freiburger Patrizierfamilien, die auch die Kommando- und Offiziersposten besetzen. Dass die Regimenter und Kompanien aus Landsleuten bestehen, stärkt Zusammenhalt und Loyalität und fördert die weitherum gefürchtete Schlagkraft der Verbände.
Um nicht unter Vorgesetzten dienen zu müssen, die zwar Freiburger sind, doch mächtigeren Familien entstammen als er, wendet sich der junge Franz Peter König – anders als die Mehrheit seiner Altersgenossen – nach Venedig, um an den Schlachten des Friauler Krieges teilzunehmen. Ein Fauxpas sondergleichen: Weil Venedig mit dem Haus Habsburg verfeindet ist, einem traditionellen Freiburger Verbündeten, beordert die Stadt den jungen Soldaten unter Androhung des Verlusts von Bürgerrecht und Vermögen unverzüglich wieder zurück. Also reist König nach Wien und begibt sich in die Dienste des Kaisers des Heiligen Römischen Reichs, Ferdinand II. Mit der Schlacht am Weissen Berg bei Prag am 8. November 1620, der ersten grossen Auseinandersetzung des Dreissigjährigen Kriegs, in der die «Katholische Liga» der protestantischen böhmischen Armee eine vernichtende Niederlage beibringt, beginnt Königs militärische Karriere.
Als Militärführer hat König unbestreitbares Talent. Rasch steigt er vom Hauptmann zum Oberstleutnant (1623), schliesslich zum Feldmarschallsadjutant und kaiserlichen Kriegskommissar (1628) auf. Er kämpft in vielen Schlachten des Dreissigjährigen Krieges mit. Als er Mitte Juni 1629 auf einem Erkundungsritt nahe Köln in einen Hinterhalt gerät, wird er von zwei Kugeln so schwer verletzt, «dass die Doctores an seinem Leben gezweifelt haben», wie Halbbruder Albrecht der Freiburger Regierung in einem Brief mitteilt. Doch König ist zäh: Die Strapazen des Kriegshandwerks, vor allem die tagelangen Ritte, setzen ihm zwar stark zu, doch ein Kuraufenthalt im bündnerischen Bad Pfäfers im darauffolgenden Jahr, während dem ein Wundarzt insgesamt 16 Knochensplitter aus seinem Arm entfernt, lässt König schliesslich genesen.
Wie viele Söldnerführer ist König vor allem ein Kriegsunternehmer. Anders als die Fusssoldaten partizipiert er als Offizier am Krieg als Gewinnunternehmen. Schon als Oberstleutnant beginnt er Soldaten anzuwerben. Mit von wohlhabenden Unternehmern geliehenem Geld kommt König für Versorgung, Sold und mögliche Profite der Truppe auf. Die Refinanzierung erfolgt einerseits in Form direkter Rechnungsstellung an den Auftraggeber für Rekrutierung und Mobilisierung, andererseits durch eine spätere Gewinnbeteiligung nach erfolgreichen Feldzügen. Der Dreissigjährige Krieg mit seinen riesigen Heeren verschlingt Unsummen, die der Kaiser und die beteiligten Fürsten unmöglich allein aufbringen können. Sie sind auf rund 1500 solcher Kriegsunternehmer angewiesen, deren berühmtester der 1634 ermordete Albrecht von Wallenstein ist. Alles in allem erweist sich der Krieg auch für König als lukratives Unterfangen: Zusammen mit seinem Bruder kauft er 1629 vier Freiburger Herrschaften sowie das Palais Ratze, eines der prunkvollsten Gebäude der Stadt Freiburg.
Nach einer kriegsbedingten Odyssee durch halb Europa – Wien, Hessen, Böhmen, Mähren, Oberitalien – wird Franz Peter König zum Garnisonskommandanten von Lindau ernannt, das als kaiserlicher Stützpunkt von schwedischen Truppen belagert wird. Wegen Mordversuchs abgesetzt und verhaftet – König wird beschuldigt, die Beseitigung eines Widersachers in Auftrag gegeben zu haben –, kommen dem Söldnerführer einmal mehr seine ausgezeichneten Beziehungen zu Freiburg und die Fürsprache der katholischen Orte der alten Eidgenossenschaft zugute. Er wird freigesprochen, flieht aus dem Hausarrest und kehrt unbehelligt nach Freiburg zurück.
Auf die militärische folgt eine politische Karriere: 1645 wird König, der zuvor schon Mitglied des Grossen Rats, des danach des Rats der Sechzig und schliesslich gar des Kleinen Rats gewesen ist, zum Schultheissen von Freiburg gewählt. Nur zwei Jahre später erkrankt König schwer, und am 11. Dezember 1647 teilt der Ratsschreiber den Gnädigen Herren mit, dass er zum Schultheissen gerufen worden sei, «den er noch zimblich starck gefunden, und resolvieret den willen Gottes zu erwarten». König stirbt noch am selben Tag.
Ein Leben wie ein Abenteuerroman: Was in die minuziöse Rekonstruktion eines aussergewöhnlichen Politiker- und Soldatenlebens münden sollte, hatte als rätselhaftes Gemälde im Depot des Museums für Kunst und Geschichte Freiburg begonnen. Das Museum befindet sich im Ratzehof, genau demselben Palais, das der porträtierte Franz Peter König einst erworben hatte, um Bürger der Stadt Freiburg werden zu können.
Dieser Artikel erschien am 4. Mai 2022 im Blog des Schweizerischen Nationalmuseums, Zürich.