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Boni steigern die Leistung. Oder auch nicht

Die Bankenkrise hat die Boni in Verruf gebracht, aber der Glaube an sie ist ungebrochen: Je höher der Bonus, desto besser die Leistung. Nur: Ist das tatsächlich so?

Lassen Sie einen Menschen für sich arbeiten, geben Sie ihm ein ordentliches Gehalt, und für ausserordentliche Leistungen bieten Sie ihm einen Extrabatzen. Sie werden sehen: Er arbeitet härter und besser. Diesen Extrabatzen nennt man ‹Bonus›, und das Prinzip ist so etwas wie ein Axiom der Betriebswirtschaft. Im Jahr 2002 wollte es der amerikanische Verhaltensökonom Dan Ariely von der privaten Duke University in Durham, North Carolina, genauer wissen und beschloss, die Wirkung von Boni auf die erzielte Leistung exakt zu messen. Weil aber ein solches Experiment bei aktuellen Bonussystemen mit Beträgen in der Höhe von Tausenden, Zehntausenden, ja Millionen von Dollars unbezahlbar geworden wäre, verlegte er es kurzerhand in den tiefsten Süden Indiens.

Bonus, lateinisch für ‹gut›, ist auf Ökonomendeutsch eine ­Belohnung. Ariely und seine Studenten boten den Bewohnern kleiner Bauerndörfer eine Belohnung von bis zu 2400 Rupien für den Fall, dass sie die sechs gestellten Aufgaben ganz besonders gut erfüllten. In einer Region, in der die Menschen ihren Lebensunterhalt mit monatlich 500 Rupien bestritten, war das ein wahres Vermögen – umso mehr, als dafür nur ein paar läppische Übungen zu absolvieren waren: das unter dem Namen Senso oder Simon bekannte elektronische Gedächtnisspiel, bei dem sich die Teilnehmer die Reihenfolge farbig aufleuchtender Flächen merken mussten, eine zweite Gedächtnisübung, die das Wiederholen gesprochener Zahlen verlangte, das bekannte Labyrinthspiel, bei dem die Kugel in keines der Löcher fallen darf, dazu ein weiteres Knobelspiel, Zielwerfen mit Bällen und schliesslich noch ein Geschicklichkeitsspiel mit einer Kugel. Die Grundregel war simpel: Je besser die Leistung, desto höher der Bonus. Der gesamte Test dauerte rund eine Stunde.

Nicht allen Versuchsteilnehmern wurde derselbe Betrag in Aussicht gestellt. Die unterste ‹Gehaltsstufe› sah einen Maximalbetrag von 24 Rupien vor, die mittlere 240 Rupien. 2400 Rupien versprachen die Forscher nur den Probanden der höchsten Klasse. Angesichts eines derartigen Geldsegens fehlte es nicht an Teilnehmern. Keinen Monat später hatte Arielys Team 87 Versuchspersonen getestet – in dreissig Dörfern, damit sich nicht herumsprechen konnte, wie viel Geld sich bei den seltsamen Forschern aus Amerika verdienen liess.

Das Ergebnis war, gelinde gesagt, eine Überraschung. Nicht die Dagobert Ducks mit dem höchsten Gewinn vor Augen erbrachten die höchsten Leistungen, sondern vielmehr die Donalds der untersten und der mittleren Stufe. Der mögliche Reibach von 2400 Rupien erwies sich, gemessen an der effektiven Leistung, am Ende sogar als kontraproduktiv. Der Grund: Die Inder der Dagobert-Stufe hatten sich zu sehr auf das Einstreichen des ­Gewinns konzentriert; die eigentliche Aufgabe trat in den ­Hintergrund.

Einen Vorgeschmack auf dieses ernüchternde Ergebnis hatte Ariely gleich zu Beginn des Experiments erhalten: Um bei den potenziellen Grossverdienern den Anreiz noch mehr zu steigern, händigten die Forscher die 2400 Rupien gleich zu Beginn aus; für jede Aufgabe, die sie nicht mit maximaler Leistung beendet hatten, mussten die Bauern einen Teil der Summe zurückzahlen. Schon der zweite Proband war ein Pechvogel: Mit seinen dürftigen Ergebnissen hätte er fast alles wieder zurückgeben müssen. Doch er war schlauer, als die Wissenschaftler erwartet hatten. Er griff sich die Scheine, gab Fersengeld und wurde nie mehr gesehen.