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Helikoptergeld: Manna vom Finanzhimmel

Null- oder Negativzinsen sollen die dunkle Wolke der Deflation vom Wirtschaftshimmel vertreiben. Zumindest in der Theorie gäbe es noch gröberes Geschütz: Helikoptergeld.

«Da sprach der Herr zu Mose: Siehe, ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen, und das Volk soll hinausgehen und sammeln täglich, was es des Tages bedarf.» Manna, das vom Himmel fällt, ist seit dem zweiten Buch Mose der Inbegriff des Wohlstandes, für den man nicht gearbeitet hat. Manna ist allerdings nicht nur ein biblisches Speisewunder, sondern auch ein ökonomisches Gedankenspiel aus der Feder des Ökonomen und Nobelpreisträgers Milton Friedman.

«Lassen Sie uns annehmen, eines Tages flöge ein Helikopter über das Land und liesse zusätzliches Geld in Scheinen vom Himmel fallen, das natürlich von den Menschen hastig zusammengerafft würde. Lassen Sie uns weiter annehmen, dass alle Beteiligten davon überzeugt wären, dies sei ein einmaliges Ereignis, das sich nicht wiederholen würde.» Mit diesen Worten beginnt Friedmans Exkurs am Anfang seines Buches The Optimum Quantity of Money (Die optimale Geldmenge) aus dem Jahr 1969. Er skizziert die Möglichkeit einer Notenbank, die Geldmenge auf einen Schlag auszuweiten – nicht durch eine Ausgabe an Banken, sondern direkt an die Bürgerinnen und Bürger. Friedmans Gedankengang ist bestechend einfach: Ein Arbeiter, der die Hälfte eines Jahreseinkommens erspart hat, besässe nach dem Überflug des Geldhelikopters auf einmal ein ganzes Jahreseinkommen. Nun könnte er natürlich zufrieden auf einen doppelt so hohen Kontostand blicken, doch das, schreibt Friedman, würde er in aller Regel nicht tun. Denn wenn er schon vorher den Wunsch nach höheren Ersparnissen gehabt hätte, dann hätte er einfach früher mit Sparen angefangen. Stattdessen wird der Arbeiter laut Friedmans Hypothese diesen einmaligen Geldsegen wieder ausgeben – und zwar so lange, bis der Kontostand wieder seine ursprüngliche Höhe erreicht hat. Weil nun eines jeden Ausgaben eines anderen Einnahmen sind, müsste dieses Helikoptergeld der Wirtschaft einen Konjunktur- und damit Teuerungsschub verleihen. Auf diese Weise lassen sich laut Friedman gesetzte Inflationsziele erreichen oder eine Deflation mildern oder vermeiden.

Vom Himmel herabfallendes Manna widerspricht nicht nur jedem puritanischen Sittenempfinden, sondern auch den elementaren Grundsätzen der Ökonomie. Was Wunder, dass das Helikoptergeld des Monetaristen Friedman heftige Kontroversen auslöst. Helikoptergeld erhöht Kaufkraft und Steuerein­nahmen, ohne die Arbeitskosten oder die Steuern zu erhöhen, erklären die Befürworter; Helikoptergeld ist gefährlich und unliberal, weil es die Eigenverantwortung des Einzelnen untergräbt und die Sparer bestraft, kontern die Gegner.

Indes, weder die einen noch die anderen wissen mit Sicherheit, ob Friedmans Experiment – Direktgeld an Bürger kurbelt den Konsum an und verhindert Deflation – in einer globalisierten Wirtschaft überhaupt gelingen könnte. Selbst Helikopterpilot Friedman war sich da nicht ganz so sicher: «Es ist sehr schwierig, etwas über den Verlauf zu sagen. […] Es kann alles sein – von ­einem Verdoppeln der Preise über Nacht bis hin zu einem sich lange hinziehenden Auf und Ab der Preise und des Marktes.»