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Geld stinkt nicht: Von Steuern und Latrinen

Wann immer es um Geld geht, das aus obskuren Quellen stammt, greifen wir zur Redensart «Geld stinkt nicht». Deren Ursprung verrät eine Menge über den Umgang mit Finanzen im alten Rom.

Vespasian (9–79 n. Chr.), mit vollem Namen Titus Flavius Vespasianus, war Machtmensch, Politiker, General, loyaler Gefolgsmann Neros und wurde, nach dessen Selbstmord im Jahr 68 n. Chr., durch geschicktes Taktieren und Paktieren selbst Kaiser von Rom. Realpolitiker, der er war, wusste er, dass seine Herrschaft auch vom Pegel der Staatskasse abhängen würde. Zu viele Politikerkollegen, vom einfachen Senator bis hoch zum Kaiser, hatte er an leeren Kassen scheitern sehen.

Not macht erfinderisch. Damit ihm nicht Gleiches widerführe – und weil Nero ein nahezu bankrottes Staatswesen hinterlassen hatte –, führte Vespasian zur Sanierung der öffentlichen Finanzen alte, abgeschaffte Steuern wieder ein, erhöhte die bestehenden und dachte sich neue aus. Unter diesen neuen Abgaben befand sich auch eine Latrinensteuer: In Rom war menschlicher Urin, so unappetitlich das klingen mag, nämlich ausgesprochen begehrt. Das darin enthaltene alkalische Ammoniak wurde für das Gerben von Leder, das Walken von Stoff und sogar für die Wäsche der römischen Togen gebraucht. Als Waschmittel diente eine Mischung aus Urin, Seifenkraut, Pottasche und Tonerde. Zur Gewinnung des begehrten Harnstoffs wurden in der Umgebung belebter Strassen daher amphorae in angiporto aufgestellt, «Amphoren in Seitengassen», die von jenen Römern benutzt wurden, die sich die Gebühren der vornehmeren Bedürfnisanstalten nicht leisten mochten. Die vollen Behälter wurden von den coriarii und den fullones, den Gerbern und den Urinwäschern, regelmässig geleert. Ausgrabungen etwa in Pompeji zeigen, dass diesen Amphoren praktischerweise die engen Hälse abgeschlagen wurden, um ein zielsicheres Pinkeln zu erleichtern, weshalb die Gefässe im Volksmund auch ganz einfach vasae curtae, «kurze Behälter», hiessen.

Auf Anordnung des Kaisers sollte nun das Aufstellen dieser stillen Örtchen auf einmal steuerpflichtig werden. Der römische Geschichtsschreiber Sueton berichtet, dass Vespasians Sohn Titus von dieser Abgabe alles andere als angetan war: Es sei nicht recht, so begehrte er auf, dass sich der Staat an öffentlichen Latrinen bereichere. Da nahm Vespasian eine Handvoll Sesterzen in die Hand, die aus den ersten Erträgen der neuen Pinkelsteuer stammten, hielt sie seinem Sohn unter die Nase und fragte barsch: «Na, stört dich der Geruch?» Titus, verwirrt, verneinte kleinlaut, worauf sein Vater zurückgab: «Nein? Und doch kommt das von der Pisse her». In sinngemäss verkürzter Form – pecunia non olet, «Geld stinkt nicht» – fanden Vespasians Worte Eingang in den deutschen Zitatenschatz.

Nicht nur das Diktum, sondern auch die römischen Pissoirs leben bis heute weiter. In Frankreich nennt man die männliche Stehtoilette noch immer vespasienne, als dunkle Erinnerung an römische Latrinen und einen gerissenen Kaiser.