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Die zweitälteste Leidenschaft des Menschen

Die Wette ist fast so alt wie die Menschheit selbst. Wetten, dass hinter einer Wette mehr steckt, als man vermuten würde, wenn man eine abschliesst?

Welcher Jäger erlegt das Mammut, welcher Ritter gewinnt das Turnier? Die Wette ist fast so alt wie die Menschheit selbst. Die Goten und Germanen verstanden unter einer Wette den Wetteinsatz oder das Pfand, doch der Ursprung des Wortes reicht bis in vorgermanische Zeiten zurück. Sozusagen Cousins unserer heutigen Wette sind der lateinische vas, der ‹Bürge›, und das vadimonium, das ‹Pfand›.

Ob Bauland oder Börse – Wetten waren zu allen Zeiten ein Geschäft. Ob ein gutes oder schlechtes, ist dabei immer nur eine Frage des Sachverstandes oder des Glücks. Wett-Weltmeister sind die Briten: Auf den Inseln ist Wetten big business. Mit 14 700 Angestellten und 1,2 Milliarden Pfund Umsatz pro Jahr ist der Wettanbieter und Buchmacher Ladbrokes ein bedeu­tendes Unternehmen auf den Britischen Inseln. Bei Ladbrokes lässt sich online auf alles setzen, was sich irgendwie in eine Wette fassen lässt: Sport von A wie American Football bis W wie Wasserpolo, das nächste königliche Baby, den nächsten ­Literatur-Nobelpreisträger oder den nächsten Sieger am Eurovision Song Contest. Auch die Politik gibt prächtige Wetten ab. Hier lässt sich auf alles wetten, was Schlagzeilen macht: Referenden in Europa, die nächsten Parteivorsitzenden, die nächsten Ministerrücktritte. Mit einer Quote von bescheidenen 1/3 hatte Hillary Clinton am Wochenende vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl vom 8. November 2016 noch als sichere Siegerin gegolten, Donald Trump mit 9/4 dagegen als unsicherer Kantonist.

Die durch eine Zahl ausgedrückte Quote bezeichnet dabei den Faktor, mit dem der Buchmacher den vorab getätigten Wetteinsatz multipliziert, wenn das betreffende Ereignis tatsächlich eintritt. Dabei gilt: Je tiefer die Quote, desto grösser in den Augen der Wettgemeinde die Wahrscheinlichkeit. Im Klartext: Clinton-Anhänger hätten für ihre gesetzten 100 Pfund ­deren 133,33 zurückbekommen – 33,33 Pfund aufgrund der Quote plus den Wetteinsatz, falls denn ihre Annahme zugetroffen hätte. Trump-Fans dagegen kamen, zumindest in dieser Hinsicht, mit 325 Pfund deutlich besser weg. Und weil am 9. November 2016 der Name des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten Donald Trump lautete, gingen Hillary Clintons Getreue gänzlich leer aus.

Es gibt Wetten, deren Quoten, einmal festgesetzt, unveränderlich bleiben. Bei anderen Wetten dagegen wetten die Teilnehmer untereinander und nicht gegen den Buchmacher; die Quoten richten sich also quasi nach Angebot und Nachfrage. Und schliesslich gibt es noch die Live-Wetten, etwa bei Fussballspielen oder Tennismatches, deren Quoten sich unter dem Eindruck der einzelnen Spielszenen laufend ändern.

Eine Wette eingehen heisst einen Vertrag abschliessen. Allerdings einen ganz besonderen: Den Vertrag nennt man in juristischer Fachsprache ‹aleatorisch› (von lateinisch alea, ‹Würfel›), weil die vereinbarte Leistung von einem nicht direkt beeinflussbaren Geschehen, vielleicht sogar vom Zufall, abhängt. Laut schweizerischem, deutschem und österreichischem Recht ist die Wette eine sogenannte ‹Naturalobligation›, aus der keine Forderung entsteht. Wer also vom Buchmacher über den Tisch gezogen wird, hat zwar das Recht, seinen Gewinn einzufordern, doch einklagen kann er ihn nur in den seltensten Fällen, dann etwa, wenn die Wette durch gezielte Manipulation vereitelt worden ist.

A propos wettfiebriges Britannien: Mit der deutschen Wette nicht verwandt ist das englische Verb to bet. Dessen Ursprung liegt ebenso im Dunkeln wie der nächste Fussballweltmeister.