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Das wahre Ei des Kolumbus

Den Seefahrern des 15. und 16. Jahrhunderts verdanken wir die Ent­deckung Amerikas. Ihr Streben galt dem Geld – und einer unbekannten Pflanzenwelt.

Die Forderung des Bittstellers Cristóbal Colón war unerhört. König Ferdinand II. von Aragón und seine Gemahlin, Königin Isabella I. von Kastilien, sollten nicht nur die gesamte Expedition finanzieren, sondern Colón dazu den erblichen Titel eines Admirals verleihen, ihn zum Vizekönig aller neu entdeckten Gebiete ernennen und ihn darüber hinaus mit zehn Prozent an allen erbeuteten Schätzen beteiligen. Entrüstet lehnte der Mo­narch ab. Und doch: Trotz seiner Unverschämtheit – und trotz seines historischen Irrtums – sollte Colón alias Christoph Kolumbus in die Geschichte eingehen.

Doch der Reihe nach. Als Erstes galt es, die alles entscheidende Geldfrage zu klären. Forschungsfahrten, in Umfang und Komplexität durchaus vergleichbar mit heutigen Weltraum­missionen, liessen sich nur mithilfe der mächtigsten Sponsoren der Zeit finanzieren: Königs-, Bank- und Handelshäuser. Jahrelang bekniete Kolumbus die Könige Portugals und Spaniens – immer wieder vergeblich: Zu teuer erschien das Unterfangen, zu risikoreich, zu lang. In seinen Verhandlungen mit dem zöger­lichen Ferdinand von Aragón griff Kolumbus am Ende zu einem Trick: Er werde sich, so drohte er, mit seiner Bitte stattdessen an Frankreich wenden. Das wirkte. Königin Isabella liess einen Eilboten aussenden, der den bereits davonreitenden Kolumbus gerade noch einholte. Der Rest ist Geschichte: Im ‹Kapitulation von Santa Fe› genannten Vertrag wurden Kolumbus’ horrende Forderungen erfüllt, die Expedition dagegen auf ein finanzielles Minimum von zwei Millionen Maravedís (umgerechnet über 300 Millionen Franken) zusammengekürzt. Mit 90 Mann und nur drei Schiffen, das grösste kaum 20 Meter lang, stach Kolumbus am 3. August 1492 in See.

Der Admiral war davon überzeugt, einen Weg nach China entdeckt zu haben. Der damalige Sprachgebrauch fasste Indien und die dahinter liegenden, noch unbekannten Länder Asiens unter dem Begriff las Indias zusammen, und so nannte Kolumbus die zehn gefangenen Eingeborenen, die er nach der Rückkehr seinem König präsentierte, folgerichtig ‹Indianer›.

Dass er nicht die Küste Chinas, sondern vielmehr einen noch unbekannten Kontinent entdeckt hatte, sollte Kolumbus zwar bis ans Ende seines Lebens verborgen bleiben. Die Schätze aber, die er und die auf ihn folgenden conquistadores nach Europa brachten, bestanden aus Gold und Silber, Sklaven, exotischen Tieren und Pflanzen, darunter der scharfe Chili (den Kolumbus mit Pfeffer verwechselte), Mais, Bohnen, tropischen Früchten – und allem voran der Kartoffel: Sich allmählich von Spanien nach England und Irland und schliesslich in ganz Europa ausbreitend, machte die Knolle Millionen von Menschen satt, die zuvor Hungersnöte durchlitten hatten. Allein in den hundert Jahren nach der Einführung der Kartoffel, so schätzen Forscher, wuchs die Bevölkerung Europas auf das Doppelte an. Der wahre Schatz des Kolumbus war nicht das Gold, sondern vielmehr eine nahrhafte Knolle.